Kunst mit vielen Medien: Sonne als Komponist, Kunst von der Rolle
Künstler | |
Markus Kohn | |
Telefon: | 0 33 22/23 69 46 |
Website: | www.kohn-kunst.de |
Ein Falke für Falkensee
Stand: Juni 2020
Die Sonne als Komponist und Dirigent? Diese neue Aufgabe weist ein Falkenseer Künstler unserer Licht- und Wärmequelle im All zu.
„Heuschrecken“ werden bei Markus Kohn zu Zufallsmusikern. Er hat sie mit einer Energiequelle aus Solarmodulen ausgestattet. Mit dieser Kraft bedienen die kleinen künstlichen Lebewesen die Saiten eines Cellos. „Je nach Witterung gibt es ein unterschiedliches nicht vorhersehbares Konzert“, beschreibt der Objekt-Künstler seine Installation. Sie war ein Blickfang der Ausstellung „Lateral“, mit der er Besucher von Galerie und Museum Falkensee Einblick in seine Kunstwelt gab.
Heuschrecken für zuhause
Bei ihm als Hobby-Violinist übrigens wird nichts dem
Zufall überlassen: „Ich spiele nur für mich, aber einige Bach-Stücke kann ich auswendig! Gerne würde ich mich in ein Laienorchester einbringen“, nennt er eines seiner Ziele.
Mit dem Einsatz als „Orchester-Musiker“ erhielt seine Schöpfung ein neues Leben. Ursprünglich sollten die Heuschrecken automatisch Kohlezeichnungen fertigen, doch
dazu waren sie nicht stark genug. Aber ein Markus Kohn lässt sich nicht kleinkriegen. Er fertigte Schablonen, mit denen er Insektenbilder in Serie erstellte, die seine Kreaturen nun abtragen sollten. Darin sah er ein Symbol für die menschlichen Heuschrecken, die zerstörerisch in unseren Städten alte Strukturen abreißen um mit Neuem Gewinn zu machen.
Damit das jeder für sich zuhause nachvollziehen kann, hat
er ein „Heuschrecken-Spiel“ zusammengestellt. Das kann man kaufen und hat dann alles vor sich, um loszulegen!
Falke zum Geburtstag?
Ganz unerwartet wurde der Objekt-Künstler, der sich an der kapitalistischen Gewinnsucht so vehement stößt, jetzt selbst zum Gewinner. Die Stadtverordneten von Falkensee entschieden sich für seinen zusammen mit der Berliner Bildhauerin Simone Elsing
geschaffenen Entwurf einer beweglichen Skulptur am Riesen-Kreisverkehr an der Spandauer Straße. Er führt gerne am Modell vor, wie sich ein stilisierter gelber Falke mit dem Verkehr am Kreisverkehr im Rund dreht. Was in seiner Atelier-Wohnung so putzig aussieht, muss einiges an Dimension aufbringen, um in der Realität zu wirken. Dem Künstler schwebt eine Höhe von „zehn bis zwölf Meter“ vor. Schließlich gilt es, sich
gegen die angrenzenden Einkaufslandschaften optisch durchzusetzen. Ob es jemals dazu kommt? „Die Frage ist, ob die Stadt dafür bei der heute unübersichtlichen Finanzlage die Kosten aufbringen kann. Ein guter Anlass wäre, wenn Falkensee 2023 den hundertsten Geburtstag begeht.“ Insgeheim wundert sich der Künstler, überhaupt gewonnen zu haben: „Der Etat war damals auf 20 000 Euro angesetzt. Damit kann man aber keine haltbare Kunst in dieser Größe im Freien schaffen. Wir sind darüber hinaus gegangen.“ Nun hofft er auf Sponsoren, die helfen, den neuen Blickfang am
„Eingangstor“ von Falkensee tatsächlich zu realisieren.
Kind geblieben?
Markus Kohn wurde 1955 im süddeutschen Ulm geboren und hat wohl die Leidenschaft für Basteln und Spielen immer behalten. Während viele nach Berlin kamen, um die Bundeswehr zu vermeiden, leistete er nach dem Abitur brav den
Zivildienst ab, um erst anschließend in die „eingemauerte Inselstadt“ zu kommen.
„Meine erste Wohnung war als Untermieter in einem Abrisshaus. Es gab keine Toilette,
dazu musste man die nächstgelegene Kneipe aufsuchen“, schildert er seine abenteuerlichen Anfänge. Um sich auf das angestrebte Kunststudium vorzubereiten, begann er erst mal mit Erziehungswissenschaften.
Heiße Hörsaal-Liebe
Das hatte Folgen fürs Leben: „Ich verliebte mich in eine Kommilitonin.“ Seine heutige Ehefrau Angelika Wellnitz-Kohn ist also die Jugendliebe aus Berliner Anfangsjahren. Lehrer wurde Markus Kohn aber erst später, nämlich als Kunstdozent, was er heute ist.
Nach zwei Jahren in Berlin gelang es ihm, seinen Traum vom Kunststudium an der „Hochschule der Künste“ in Westberlin zu verwirklichen. Von seinem Talent zeugen heute noch großformatige Ölbilder im Haus der Familie, die seit nunmehr 22 Jahren in Falkensee lebt. Von Anfang an setzte er auf nicht-gegenständliche Motive. „Um die Realität abzubilden, gibt es ja die Fotografie“, begründet er. Sein Ansatz ist, assoziative Kunst zu schaffen.
„Ich biete keine Erklärungen oder Lösungen an, sondern Möglichkeiten. Was man in
meinen Arbeiten erkennt und wie man sie aufnimmt, hängt von jedem selbst ab und gibt wiederum Rückschlüsse auf die eigene Person“, schildert er seine Idee.
Kunst zum Abschneiden
„Kunst muss auf den Ort reagieren“, ist ein weiteres Postulat von ihm.
„Ich möchte die unterschiedlichen Medien, die es heute gibt, zusammenführen.“ Furore machte er mit der „längsten Zeichnung der Welt“.
Das war ein 70-Meter-Bild, das er auf Rolle anlässlich der Kunsttage „48 Stunden Neukölln“ präsentierte.
Das Grundmotiv, eine Autoschlange, war dem Film „Weekend“ des schweizer Experimentalfilmers Jean-Luc Godard entnommen.
„Die Besucher konnten sich ein Stück von der Rolle abschneiden und gelangten so preisgünstig zu Kunst. Viele kamen, um ihr damaliges
Auto aus Jugendjahren zu
bekommen. Weil nur am
Ende abgeschnitten wurde, mussten viele immer wieder in unserem Kunstraum erscheinen“, schmunzelt Kohn noch heute über diese ungewöhnliche Idee. Die Einfälle dazu erreichen ihn übrigens meist, wenn die für seine
Orchester-Installation nötige Sonneneinwirkung gerade mal fehlt. Vielleicht ist es dann der Mond, der ihm im Schlaf seine Inspirationen gibt, zumindest solange, bis der neue Falke von Falkensee die Nacht kreisend im Kreisverkehr ein wenig heller macht.